Als ich kürzlich im Artikel Urban Art Darmstadt – Sommer & Winter 2024 über das Fuchskopf-Motiv der Low Bros schrieb, erwähnte ich, dass ich es schade finde, wenn Künstler*innen und Kreative auf sich stark ähnelnde Motive zurückgreifen – besonders bei Auftragsarbeiten im öffentlichen Raum wie Wandbildern und großen Murals. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich auch schon das neue Wandbild von Cor in der Frankfurter Innenstadt gesehen und jenes im Hinterkopf, da ich darin sofort das Gesicht erkannte, das er vor einigen Jahren auch schon im kanadischen Montreal gemalt hatte.
Beim nächsten Bild habe ich mit dem Programm Adobe Photoshop und der integrierten KI Firefly die zwei Schilder an der Wand anders platziert, damit das gemalte Bild besser zur Geltung kommt. Keine Ahnung, warum bei solchen Projekten nicht auch andere Elemente der Wände wie Balkone, Briefkästen, Klingeln, Schilder, Türen etc. mit in die Gestaltung einbezogen werden.
In einem kreativen Metier halte ich es für möglich, nicht mit sich wiederholenden oder sich stark ähnelnden Motiven zu arbeiten. „Kreativität bevorzugt das Neue gegenüber dem Alten, das Abweichende gegenüber dem Standard, das Andere gegenüber dem Gleichen“, meinte auch schon Andreas Reckwitz in seinem Buch „Die Erfindung der Kreativität“. Gleichzeitig frage ich mich, inwiefern bei solchen Aktionen auch Bürger*innen ein Mitspracherecht haben könnten, vor allem jene, die in unmittelbarer Nähe eines Murals leben. Sie sehen das Kunstwerk schließlich jeden Tag, der*die Künstler*in hingegen malt sein*ihr Bild und ist weg. Dabei sollte der Anspruch an solche Werke allerdings mehr sein als ein bloßes „sieht besser aus als vorher“, womit in der Regel Wände gemeint sind, auf denen zuvor viele Tags, Throw-ups und Sticker zu sehen waren.
In der Frankfurter Innenstadt kommt außerdem hinzu, dass mit derlei Arbeiten, wie ebenfalls kürzlich im Artikel Kaiserplatz Karree angesprochen, sehr viele leer stehende Läden und anderweitig als unattraktiv ausgemachte Flächen mit Fotografien, Grafiken, Illustrationen und vor allem Urban Art bespielt werden. Das führt dazu, dass solche Arbeiten mittlerweile nur wenige Meter auseinander liegen und das eigentlich besondere, bunte Tupferl, zum Standard wird. Dreht man z. B. dem neuen Wandbild von Cor den Rücken zu, blickt man bereits auf den Bauzaun mit den Cityghosts. In Richtung Bleidenstraße gelangt man bald an eine große Bembel-Grafik, und weiter in Richtung Schillerstraße folgt diese– wie ich finde – groteske Banksy-Lookalike-Streetart. Geht man von dort aus 200 Meter nach rechts, stößt man auf ein schmales, hoch aufragendes, schwarz-weißes Werbe-Mural. Von diesem Punkt sind es dann nur noch wenige Schritte bis zu den neuen Handlauf-Bildchen an der Konstablerwache …
Von ihrem ursprünglichen Kontext als subversiver Ausdruck driftet Urban Art zwar schon seit langer Zeit weg, aber dass sie, obwohl oft beeindruckend und handwerklich hochwertig, derart zur stadträumlichen Dekoration wird, finde ich schwierig und betont leider einfach nur noch mehr als sonst eine Rolle als Lückenfüller-„Kunst“. Ein (besseres) kuratorisches Konzept (als jetzt?) könnte helfen, um die Wahrnehmung von Urban Art im öffentlichen Raum zu verändern und sie als bedeutungsvolleren Bestandteil der städtischen Kultur zu etablieren, z. B. im Dialog mit Werken aus anderen Kunstdisziplinen – siehe Guido Zimmermann & Johannes-Nandu Kriesche in Kelsterbach –, mehr Vielfalt bei der Auswahl von Künstler*innen und nur eigens für die entsprechende Fläche geschaffene Arbeiten (und Motive) genehmigen.