Die STADTplus-Reihe meldete sich bereits im Oktober 2021 zurück, aber Pandemie-bedingt dann leider kürzer als geplant und somit wurde auch das auf den Plakaten für Anfang November 2021 angekündigte Thema Die Stadt + Die Bausünden verschoben. Nun also ein neuer Anlauf, wie gehabt im Ausweichquartier des Deutschen Architekturmuseums im Ostend. Für die Auftaktveranstaltung am 6. April wurde Architekturhistorikerin und Urbanistin Turit Fröbe eingeladen, die u. a. auch für das vor rund 10 Jahren erschienene Buch Die Kunst der Bausünde verantwortlich ist.
Keine Ahnung, wer mal auf die Idee gekommen ist, ein vor allem in der Religion vorkommendes Wort wie Sünde mit Bau zu kombinieren, aber was genau soll das eigentlich sein, eine Bausünde? Etwas, bei dem der Bund der Steuerzahler sagt, es habe zu viel Geld gekostet? Ein fachlicher Pfusch am Bau? Wohnhochhäuser und Siedlungen, zu denen in einschlägigen Foren und Sozialen Medien immer gerne latent klassistisch und ausländerfeindlich kommentiert wird, da derlei Gebäude von „Architekturkritikern“ primär mit Arbeitern, Wenigverdienern und Ausländern in Verbindung gebracht werden? Ausnahme ist natürlich, wenn irgendein Feuilleton-Dude mal großzügig ein Auge zugedrückt hat oder wenigstens ein Stararchitekt am Werk war, dann darf auch gerne abgegrenzt werden, Leute reden dann z. B. lieber von Frank-Gehry-Häusern als von Siedlung Goldstein, von Europaviertel als Stadtteil anstatt es als das zu benennen, was es ist, nämlich einfach nur ein Neubaugebiet innerhalb des Stadtteils Gallus usw.
Im Text zum Event heißt es:
„Die Architekturhistorikerin Turit Fröbe geht auf einzigartige Entdeckungsreise: Sie zeigt Kirchen im Parkhaus- oder Bunkerstil, Erker-Eier am Plattenbau, Schizohäuser mit zwei Gesichtern – und beweist, dass gute Bausünden bei genauerer Betrachtung durchaus eine gewisse Schönheit und einen ureigenen Charme entfalten können. Bausünden haben es in den Innenstädten immer schwerer. Reihenweise fallen sie der Abrissbirne zum Opfer oder werden hinter Spiegelglas versteckt. Doch gut gemachte, originelle Bausünden sind besser als ihr Ruf. Während die Stadtzentren immer gesichtsloser werden, ist die Bausündenkultur in Einfamilienhausgebieten noch lebendig: Alles, was möglich ist, ist erlaubt und findet Nachahmer, bietet kreative Anregungen.“ (dam-online.de)
„Die Stadt + Die Bausünden – Wie wir lernen, ungeliebte Gebäude wertzuschätzen“ beginnt um 19 Uhr. Der Eintritt ist frei, Spenden sind willkommen.
Die Veranstaltung am 11. Mai 2022 nimmt sich dem Thema Die Stadt + Die Gangs an. Um Outlaw Motorcycle Gangs geht es leider nicht, das fände ich ja mal interessant, vielmehr ist mit Andrea Stevens die Filmemacherin des schon vor einigen Jahren mit Crowdfunding finanzierten Dokumentarfilms „Tokat“ eingeladen. Ehrlich gesagt habe ich nicht verstanden, warum das Thema 2022 wieder aufgewärmt wird oder man sich nicht wenigstens mit der Person unterhält, die sich diesbezüglich schon damals, in den 1990er-Jahren aktiv war, nämlich Hermann Tertilt.
Am 8. Juni 2022 dreht sich alles um Die Stadt + Die Megaprojekte. Von Architekturhistoriker Wolfgang Voigt wird zu erfahren sein, „was Frankfurt erspart blieb“. Der Titel erinnert mich auf Anhieb an das Buch Ungebautes Frankfurt von Matthias Alexander, nur dass hier mit „erspart“ im Titel bereits eine Wertung vorgenommen wird. Das wiederum erinnert mich an ein Erlebnis in der sogenannten Neuen Altstadt, als ich eine Führung mitbekam, bei der die Person ihrer Ü60-Gruppe einen Ausdruck mit einem nicht rückwärtsgewandten Entwurf für das heute als „Neue Altstadt“ bekannte Areal präsentierte (Foto unten, Motiv rechts, übrigens aus dem Buch „Ungebautes Frankfurt“), um sich über die einkalkulierte Ablehnung der Rundgang-Teilnehmer*innen Zustimmung zu holen für die dann gebauten Rekonstruktionen & Co.
Die halbe Stadt eine Baustelle, überall fallen alte Gebäude, aber dann mit ein paar Häuschen in der Altstadt und künftig vielleicht sogar noch einer neuen Turmspitze einen auf Identifikation (durch Imitate) machen. Humor hat man, in Frankfurt.
Last but not least: Am 13. Juli 2022 geht es um Die Stadt + Der Stehschoppen. Es soll darum gehen, „wo Frankfurt trinkt und redet“, dem Titel nach zu urteilen offenbar im Stehen, und das in Zeiten wo Leute Sitzplätze an Wasserhäuschen (!) wollen oder Probleme damit haben, ein Frikadellenbrötchen (!) im Stehen zu essen. Anderseits, wenn die Leute stehenbleiben, stehen sie in Frankfurt in den meisten Fällen einfach nur dumm im Weg herum. Womöglich sind es gar nicht die Auto-, die Rad- und die E-Scooter-Fahrer*innen, die immer irgendwas falsch machen und damit anderen den Alltag etwas erschweren, sondern die Frankfurter*innen (+ AB, FB, MKK, MTK, OF etc.), die mit Dingen wie Aufmerksamkeit und Rücksicht nicht viel am Hut zu haben scheinen und sich vor allem für sich selbst interessieren. Mittlerweile, und das übrigens nicht etwa erst seit Corona, hat man als Fußgänger*in kaum noch Platz auf dem Gehweg, sehr gut zu beobachten z. B. entlang der Berger Straße zwischen Bornheim Mitte und Merianplatz. Wenn’s nur so etwas wie einen Gewerbeverein, eine*n Kümmerer*in, einen Ortsbeirat oder auch Dezernenten geben würde, die da was machen könnten … Beim Yok-Yok im Bahnhofsviertel erinnere ich mich wenigstens noch an einen Abend, an dem gefühlt alle 5 Minuten jemand herauskam und darauf aufmerksam machte, wo die Leute bitte nicht zu stehen haben, auch wenn das immer nur so „lange“ hielt, bis die nächsten zehn Kasper etwas zu trinken kauften und beim Rauskommen dachten: Oh prima, hier ist ja noch ordentlich Platz, warum stehen die anderen da bloß alle so gequetscht, haha …