Am Montagabend besuchte ich die Veranstaltung TEDxRheinMain. Für das Motto des Abends, „Everything communicates“, zog man passenderweise in das Museum für Kommunikation. So charming die Wahl des Schauplatzes für diesen Event war, so abenteuerlich war die Anordnung der Sitzplätze am besagten Abend, denn zumindest von den hinteren Plätzen auf meiner Seite waren sowohl Bühne als auch Leinwand teilweise gar nicht sichtbar. Nach der Pause waren die hinteren Reihen um mich herum fast leer, denn einige hatten die Veranstaltung (wohl) verlassen, während Andere auf den Stufen der riesigen Treppe Platz genommen hatten. Anders formuliert: Für 40 Euro Eintritt bekamen einige Besucher entweder einen Treppenplatz oder einen Platz mit kaum Sicht auf das Geschehen. Ohne Worte. Eine Ein-Preis-Strategie bei solch massiven Unterschieden in der Qualität der Bestuhlung darf nicht sein. Das war leider nicht nur eine organisatorische Fehlleistung, sondern eigentlich schon eine Zumutung, die dem Anlass nicht gerecht wurde.
Eine schöne Geste hingegen waren die Lunchpakete von Brot und seine Freunde, welche es noch vor Beginn des Events for free gab. Wer allerdings auf eine der fantastischen Stullen des Ladens spekulierte wurde enttäuscht, denn neben dem Getränk, wahlweise ein Fläschchen Wasser oder Apfelschorle (?), gab es einen kleinen Apfel, einen Schokoriegel und ein Käsebrötchen ohne Gurkenscheibe, Salatblatt oder dergleichen. Der Hunger trieb’s freilich rein. Bier gab es an diesem Abend nicht, die Café-Bar im oberen Stockwerk bliebt an diesem Abend geschlossen, so dass ich der halbstündigen Pause bei ungemütlichen Wetter irgendwo in Sachsenhausen umherirrte um mir dort irgendwo eines zu kaufen.
Bei mehrstündigen Veranstaltungen sollte immer eine angenehme Atmosphäre und ein gemütliches Ambiente die Basis bilden. Das sind bequeme Sitzgelegenheiten, gute Sicht- und Hörverhältnisse und die gastronomische Komponente sollte nicht ganz unterschätzt werden, zumal in Frankfurt sowieso immer und überall gegessen und getrunken wird. In einigen der aufgeführten Punkte war an diesem Abend jedenfalls noch Luft nach oben.
Zum Programm: Folgende sechs Redner ware für den Abend vorgesehen:
- Klaus Jürgen Grün, Philosoph und Freimaurer
- Bomber, Graffitikünstler und Gestalter
- Friedemann Eichhorn, Violinist
- Gabriel Glöchner, stellv. Abteilungsleiter bei der EZB
- Manouchehr Shamsrizi, Zentrum für politische Schönheit
- Robert Babicz, Produzent und Musiker
Der erste Beitrag hieß „Mut zur Lüge“ und kam von Dr. Klaus-Jürgen Grün. Leider schmiss dieser bereits zu einem frühen Zeitpunkt in seiner Rede zu viel mit Sätzen wie „wahrscheinlich werden Sie mir zustimmen“ um sich, so dass ich auf Durchzug schaltete und mich meinem Smartphone und besagtem Käsebrötchen widmete. Diese Art der Vereinnahmung des Publikums, ohne sich mit diesem auseinander gesetzt zu haben und aufrichtig an dessen Meinung oder Wissen interessiert zu sein, mag ich nämlich gar nicht nicht. Entweder Du hast eine eigene Meinung und stehst dazu oder präsentierst bestenfalls sogar Fakten, aber dieses „andere mit ins Boot holen“ um sich selbst Gewicht zu verleihen habe ich noch nie ernst nehmen können, ob Luftpumpe oder Philiosoph ist mir dabei herzlich egal, wobei diese beiden Lager manchmal nur ein schmaler Grat trennt.
Der zweite Beitrag kam von Helge Steinmann a.k.a. Bomber und war eigentlich der Hauptgrund, wegen dem ich an diesem Event teilnahm. Thematisch war das durchaus interessant, wenn man mit dieser Art der Kunst eher selten in Berührung kommt. Für an dieser Kunstform Interessierte dürfte jedoch wenig Neues dabei herausgekommen sein. Stylewriting, Graffiti, Streetart etc. zu beschreiben ist sicherlich nicht einfach und so zitierte er in diesem Zusammenhang auch Frank Zappas „Über Musik zu reden ist wie über Architektur zu tanzen.“ Neben dem Beleuchten des künstlerischen Aspektes an sich hätte ich mir persönlich eine intensivere Auseinandersetzung mit dem politischen Aspekt und dem „Kampf“ um die Straßen mit Stadt und Werbewelt gewünscht, aber das Leben ist bekanntermaßen kein Wunschkonzert.
Apropos Konzert: Der dritte Beitrag kam aus dem Bereich Musik und wurde von Prof. Dr. Friedemann Eichhorn gehalten. Doch bevor er mit seinem Talk zu „Music: One world“ anfing, spielte er zusammen mit Pablo Ferrández (Cello) der Kronberg Academy auf seiner Violine ein sehr schönes Stück, wie ich finde. „Musik entsteht erst durch ein Publikum“ war eine seiner Aussagen und knüpfte damit an der bekannten Aussage „Kunst beginnt erst im Auge des Betrachters“ an. Eine sehr streitbare Sichtweise. Was er eigentlich meinte, war im Grunde nichts weiter als die Performance, das Zusammenspiel von Künstler (mit seinem dann bereits fertigen Kunstwerk) und einem Publikum. Der gesamte kreative Schaffensprozesses einer Komposition, angefangen bei der Idee, über die Umsetzung an den Instrumenten und Equipment bis hin zur Fertigstellung ist Kunst und diese braucht keinerlei Publikum. Ansonsten habe ich ihm sehr gerne zugehört, denn seine Liebe zur Musik war mit jedem Satz herauszuhören.
Nach der Pause ging es weiter mit Gabriel Glöckner, stellvertretender Abteilungsleiter der EU Institutionen-Abteilung in der Generaldirektion Internationale und Europäische Beziehungen mit Zuständigkeit für die Kontakte der EZB mit Brüssel. Hier konnte ich meine Ressentiments nicht ganz abschütteln, denn wo Begriffe wie „Bank“ und „Trust“aufeinandertreffen ist für mich mindestens die Kategorie „Zu Archtiektur tanzen“ erreicht. Dennoch sei erwähnt, das hier m.E. der beste Redner des Abends auf der Bühne stand, zumal er (so gut wie) keine „ähs“, „ehms“ und „öhs“ gebrauchte, was das Zuhören schon deutlich angenehmer gestaltet. Thematisch beschäftigte er sich mit der Kommunikation von Märkten und Politik und wie beide Seiten mit Informationen jeglicher Art umgehen, sie aufnehmen und verarbeiten. So kritisierte er z.B. dass Politiker bei irgendwelchen Events populistische Reden schwingen und drei Tage später andernorts mit anderen Poltikern dieser Welt zusammenkommen und völlig gegenteilig zum Gepolter von vor drei Tagen handeln.
Der vorletzte Beitrag an diesem Abend kam von Manouchehr Shamsrizi, der ein wenig von den Aktivitäten des Zentrum für politische Schönheit erzählte. Genauer bekomme ich das nicht mehr zusammen, denn als er über die Bedeutung vom sich auf das Wesentliche zu konzentrieren erzählen wollte, startete er auf dem großen Screen auf der Bühne eine farbenintensive und dauerhaft schnell flackernde und blinkende Animation, quasi um jetzt live das „auf das Wesentliche (seine Rede) konzentriert zu bleiben“ durchzuziehen. Ich wage mal die These, dass wenn er jene bereits nach 20 Sekunden wieder ausgeschaltet hätte und nicht erst nach zig Minuten, wäre der Effekt bzw. die Message auch schon rübergekommen. Auch wenn sich Aktionskunst sehr oft darin übt Grenzen zu überschreiten, war das gewählte Mittel an diesen Abend eher suboptimal, denn im Gegensatz zum mit dem Rücken dem Screen zugewandtem Redner, musste ich mich die ganze Zeit dem Geflacker aussetzen, so dass ich kurzerhand entschloss, die Vermeidung dessen als das Wesentliche für mich zu definieren.
Mit dem letzten Beitrag von Robert Babsicz a.k.a Rob Acid konnte ich sehr viel anfangen, weil ich autobiografisch sehr viele Gemeinsamkeiten mit ihm teile und er ebenfalls in der (elektronischen) Musik seinen Kompass für das Leben entdeckt hat. Eine Liebe die es wert war ihr nachzugehen, auch wenn der eingeschlagene Weg mit sehr vielen Schwierigkeiten verbunden war.
In Summe fällt mein Fazit für diesen TEDxRheinMain-Talk ähnlich aus, wie beim letzten mal im Capitol in Offenbach: Ein durchaus netter Abend, betrachtet man ihn als ein „Nicht alltägliches Entertainment-Event“ und misst ihn nicht an „Ideas worth spreading“. Dass man sich nicht gleichermaßen für alle Themen der Redner interessiert ist normal, aber den Gegenpart, ein absolutes Highlight, habe ich an diesen Abend jedoch vermisst. Etwas überraschend fand ich zudem, dass zum Thema „Everything communicates“ weder eine Frau, noch irgendwer aus der Werbebranche auf der Bühne anzutreffen waren.
Ist natürlich schon irgendwie bezeichnend, wenn im Artikel vor allem die negativen Eindrücke einer Veranstaltung hervorgehoben werden. Ich kann das auch alles verstehen, auch wenn ich dieses Mal nicht dabei war. Insofern vielen Dank für die Zusammenfassung aus Deiner Sicht!
Trotzdem finde ich es super, dass wir im Rhein-Main Gebiet ein TEDx haben und es auch engagierte Leute gibt, die das auf ihre Kosten & Risiko aufziehen. Das ist dann auch der Unterschied zu anderen Städten, wo diese Events von Eventfirmen aufgezogen werden.
Für mich ist ein TEDx auch nicht so eine Standardnummer wie z.B. ein Konzert, wo Performance gegen Geld abgeliefert werden soll, sondern wo sich das Publikum auch einbringen können soll. Daher nehme ich aus Deiner Analyse mit, dass man das Publikum beim nächsten Mal noch mehr in den Mittelpunkt stellen muss.
Hallo jke,
ich war zwar nicht auf dieser Veranstaltung, weil ich kein Geld für Veranstaltungen übrig habe, die mich überhaupt nicht interessieren, aber ich würde gerne wissen was du mit folgendem Satz meinst:
„Ist natürlich schon irgendwie bezeichnend, wenn im Artikel vor allem die negativen Eindrücke einer Veranstaltung hervorgehoben werden.“
Für was ist das deiner Meinung nach denn bezeichnend? Das konnte ich in deinem Kommentar leider nicht herauslesen.
Klar, ich finde es auch gut, dass es solche Events hier in der Region gibt. Ich habe mich im Artikel jedoch primär mit dem Abend der Veranstaltung auseinandergesetzt und finde zudem, dass er nicht so negativ ist, wie Du es eingangs anklingen lässt- vor allem wenn man differenziert zwischen sachlicher Kritik, meinem persönlichen Wunschkonzert und meiner Art der Reaktion auf bestimmte Kommunikationsformen der Redner.
Rob, danke für diesen einfühlsam verfassten Beitrag, jetzt tuts mir nicht mehr so leid, dass ich diesen Event verpasst habe, über welchen, was ich übrigens bezeichnend finde, aus dem Radio erfahren habe…