Es war an einem Freitagvormittag im schönsten Sommer. Georg Bendemann, ein junger Kaufmann, saß in seinem Privatzimmer im ersten Stock eines der niedrigen, leichtgebauten Häuser, die entlang des Flusses in einer langen Reihe, fast nur in der Höhe und Färbung unterschieden, sich hinzogen. Er sah, den Ellenbogen auf den Schreibtisch gestützt, aus dem Fenster auf den Fluß, die Brücke und die Fahrbahn, die neuerdings wieder temporär für den motorisierten Verkehr gesperrt, im Gegensatz zur ersten Sperrung aber diesmal bunt bemalt wurde. Das wird großen Anklang finden, dachte er, bei mindestens zwei Gruppierungen: Instagram-Opfern und Autohasser*innen.
„Instagram-Opfer“, so steht es seit gut einem Jahr auf dem unweit davon befindlichen Eisernen Steg geschrieben, und zwar an einer Stelle, von der man einen ganz passablen Blick auf die Skyline hat und demzufolge oft auf Instagram zu sehen ist. Diese Fraktion wird in den kommenden Tagen zum neuen Hotspot geiern eilen und mit entsprechenden Fotos und Filmchen das soziales Netzwerk mit Fokus auf Video- und Foto-Sharing fluten, immerhin gibt es nicht nur bunte Formen aller Art zu sehen, auch ein Eintracht-Frankfurt-Wappen und das hart nervende Frankfurt-bleibt-stabil-Gesülze wurden eingearbeitet, damit nicht nur Tourist*innen, sondern auch Frankfurter*innen ihren Teil dazu beitragen.
Autohasser*innen, oder wie sich sich selbst verniedlichend nennen „Frankfurter Fahrrad-Bubble“, größtenteils Idioten, die Änderungen von anderen fordern, während sie selbst permanent rote Ampeln missachten, Radwege in die Falsche Richtung nutzen oder schlichtweg auf Gehwegen fahren (und entlangbrettern) – nur falls sich jemand fragt, wie dieses „Mit dem Fahrrad wärst du schon längst da“ wirklich funktioniert. Unter Achtung der StVO jedenfalls nicht, da ändert auch nichts daran, dass ungefragt auch immer Fußgänger*innen für die Ziele von Radfahrer*innen vereinnahmt werden, wo eigentlich jede*r weiß, dass Fußgänger*innen eher mit Radfahrer*innen ihre Probleme haben, von den in Herbst und Winter völlig verwaisten Radwegen mal ganz zu schwiegen. Von daher wird es also nicht lange dauern, bis Fotos dieses vielleicht 300 Meter bemalten Abschnitts am Mainkai auch in Beiträgen auftauchen wird, in denen irgendetwas davon krakeelt wird, „wie toll man Flächen nutzen kann, wenn keine Autos da sind!!!“ – einfach so, weil so „schön“ bunt oder weil es drei, vier organisierte Events auf diesem Teilabschnitt geben wird und mit Fotos davon so getan werden wird, als sei da immer total viel los gewesen, als hätten die Bürger*innen den Main wieder erobert.
Mit der knallbunten Gestaltung konnte sich Georg Bendemann nicht so recht anfreunden, er hätte, weil flankiert von Tartanbahn-farbigen Radwegen, eher auf eine monochrome Farbpalette zwischen blau und grün gesetzt, aber womöglich wurde bei der Entwurfsgestaltung die tatsächliche Umgebung nicht mit einbezogen? Vielleicht bei der nächsten Fahrbahnsperrung. Denn die kommt bestimmt, egal wie sinnbefreit die auch sein mag.