Weltweit werden Städte zum Schauplatz gesellschaftlicher Auseinandersetzungen: Meldungen zu Privatisierung von Infrastruktur, Räumung von Freiräumen, Überwachung des öffentlichen Raumes, Vertreibung marginalisierter Bevölkerungsgruppen, Mietsteigerungen und nicht zuletzt Gentrifizierung poppen nahezu regelmäßig in den Medien auf. In Frankfurt zum Beispiel wurde erst kürzlich ein „Strandkorb von den Beamten brutal zertrümmert.“ Wait, what!? So schrieb es das Genussmagazin, der gastronomische Ableger des Spießermagazins für Zugezogene auf der Suche nach „Ausgeh“möglichkeiten (also in erster Linie: „Oh, guck mal, da hat wieder was Neues aufgemacht!!!¡) und in die Jahre gekommene Frankfurter_innen ohne Abenteuer im Leben. Die Vorgeschichte könnte typischer nicht sein für Frankfurt, denn überall wo sich Frankfurts Bürger_innen ein bisschen selbst organisieren, taucht von irgendwo direkt aus der Nachbarschaft „ein Anwohner“ auf, der sich darüber beschwert. So jedenfalls wird es immer kommuniziert und man könnte sich aufgrund der Häufigkeit, in der dies in Frankfurt mittlerweile geschieht, fragen, ob der Prozess der Gentrifizierung, samt der damit einhergehenden, neuen und homogeneren Bewohnerstruktur, eigentlich nur noch Arschlöcher in die Stadt spült. Ebenso ist es immer wieder erstaunlich, wie wohlwollend sich „die Stadt“ dem Anliegen dieser Einzelnen immer annimmt. Beispiele für solche, und ähnlich gelagerte Konflikte, gibt es zu Genüge, siehe STOFFEL, Bahnhofsviertelnacht, City-Kiosk YokYok, Friedberger Markt oder auch Tiki Tiki Hawaii. Jetzt ist, zumindest indirekt, auch das „Gudes“, ein nordendspezifisch-umfunktioniertes Event-Wasserhäuschen am Matthias-Beltz-Platz, an der Reihe. Eine Ecke, für die sich bis vor wenigen Jahren so gut wie niemand interessierte, obwohl auch damals schon ein Aufenthalt mit Getränken und Sitzbänken möglich war. (Link zur Google-Streetview-Ansicht)
Nur hat sich mittlerweile entlang der Friedberger Landstraße etwas getan: Zwei Plattenläden, ein Laden für besondere Produkte (Kunst, Deko uvm), ein supa-dupa-Caféspot, das Gudes, der Netto ist durch ein – was auch sonst? – denn’s ersetzt worden und legale Streetart-Projekte, in Form eines Murals, und im Juli folgt sogar ein weiteres, sind natürlich auch schon am Start. Dazu gesellt sich eine Interessengemeinschaft, die, wie auch schon bei Broschüren für andere Stadtteile in Frankfurt, eben nur solche „handverlesenen“ Geschäfte herausstellt. Es ist also alles ist auf den Weg gebracht, um zwischen Berger Straße und Oeder Weg einen weiteren, ähnlich „attraktiven“ Straßenzug im Nordend zu positionieren, mindestens jedoch der betroffenen Friedberger Landstraße einen „besseren Ruf“ zu bescheren. Dennoch: zu belebt, urban und hip soll es dann aber bitte auch nicht sein, denn zuletzt wurden vor Ort gleich zwei Mal aufgestellte Sitzmöglichkeiten abgeholt und entsorgt – unter anderem auch der eingangs erwähnte Strandkorb. Das geht Anwohnern, Anhängern öffentlicher Plätze und Besuchern des Gudes zu weit und schnell ward eine Unterschriftenaktion ins Leben gerufen. Eben so, wie man es erwarten kann, von einer engagierten Stadtgesell.. BATSCH!! 900 Unterschriften sind binnen kurzer Zeit bereits abegegeben worden. Keine Ahnung wo all diese Leute, die offenbar keinen Bock auf die unzählig vorhandenen Cafés im Viertel haben, nicht zum Park laufen wollen und sich für’s Cornern zu alt fühlen, plötzlich auftauchen. Sicher, in Frankfurt drehen die Leute schon durch, wenn sie nicht alle 10 Meter die Gelegenheit haben, in Cafés, Buvettes oder Restaurants Platz nehmen zu können, aber Unterschriften sammeln für Sitzgelegenheiten bei einem Kiosk – ich lasse in diesem Fall mal das romantisierende „Wasserhäuschen“ außen vor – ist dann doch auch wieder irgendwie sehr… eigen. Aber wer weiß, vielleicht macht das Schule und die Anhängerschaft des Friedberger Marktes zieht nach und dem Betreuer der orange-farbenen Stühle am Luisenplatz werden weiterer Plätze im Nordend anvertraut. Ausgehen und Rumstehen war gestern, jetzt kommt die Generation Sitzplatz! Diese findet sich übrigens am Freitag, den 1. Juli 2016, am besagten Ort zu einer Protestaktion mit Stühlen ein.
An einem Freitag!?
Da kann mich aber nicht entscheiden, ob ich am Friedberger Markt stehen oder am Matthias-Beltz-Platz sitzen soll!!!!
*hehe* Und Monatsanfang = Geldwochenende, ist auch noch, da ist wirklich ALLES unterwegs. Blockupy Friedberger !1!!elf!
Aus dem Netto wurde kein Tegut, sondern ein Denns Biomarkt.
Während man bei Tegut neben Bio auch noch Normalpreisiges findet, gibt’s bei Denns nur teuer und bio, weshalb halt durch den Wegfall des Netto komplett der Nahversorger-Supermarkt in der Gegend weggefallen ist.
Ich finde es problematisch, wenn es durch eine hippe Verteuerung eines Straßenzuges einfach nichts mehr für „ärmere“ Leute gibt. Supermarkt? Weg. Postfiliale Nordend? Schließt jetzt auch wegen zu teurer Mieten. Dafür kann ich aber überall für teures Geld um die Friedberger herum essen geben. Wenn ich denn das Geld habe…..
Ups, blind wie ich bin.. hab’s korrigiert, Danke.
Hm, ich sitz am Gudes meist auf dem Boden oder den festen Bänken und hab kein Problem damit, finde es aber dennoch nicht gut, dass die Nutzung der Möbel dort untersagt wurde. Dass sich die Menschen also in einer Petition äußern, ist schlimm warum? Weil es um so etwas Banales wie Sitzmöglichkeiten geht? Dieses Argument habe ich nicht ganz nachvollziehen können. Oder wird hier impliziert assoziiert (und ich übertreibe): Sitzen = bornierte Gentrifizierer, Stehen = solide Unterschicht?
Im Übrigen macht doch das „100“ ggü. schon wieder dicht, so toll aufgewertet kann die Gegend also nicht sein.
Ach, und: beim Gudes von „Eventwasserhäuschen“ zu sprechen – kann man auch anders sehen.
Das stimmt, in einer vorherigen Version hatte ich auch versucht, die zu diesem Zeitpunkt bereits kommunizierte Ladenschließung vom Laden 100 zu berücksichtigen, aber mit dieser Info hätte sich der Satz irgendwie (noch) unrund(er) gelesen und da letztlich der Memphis Records an Ort und Stelle bleibt, ist diese Änderung auch nicht so signifikant. Durchaus signifikant ist es aber, dass gerade solche coolen und oftmals inhabergeführten Locations, die eben auch dazu beitragen, Gegenden für Investoren attraktiver zu machen, auch wieder von der Bildfläche verschwinden, z.B. wenn’s mal wieder einen neuen Hauseigentümer, samt neuer Konditionen gibt.
Was einzeln betrachtet nice ist, kann also im Gesamtkonstrukt durchaus kritischer betrachtet werden, und wenn ich mitbekomme, wie sich Leute für Stühle an einem Eventwasserhäuschen einsetzen, aber gleichzeitig bei anderen Themen (siehe Einleitung des Artikels) immer nur wenige Frankfurter_innen aktiv werden – da gibt’s dann zufälligerweise immer Unmengen an Gründen, warum man sich nicht blicken lässt, aber Hauptsache von Hot Spot zu Hot Spot, von Neueröffnung zu Neueröffnung, rumhampeln – dann finde ich das schon ziemlich traurig, und leider auch typisch Frankfurt.
Passend auf den Punkt gebracht hat es @vlkr auf Twitter:
via @vlkr
Diesen Artikel könnte ich copy-paste-mäßig übernehmen. In Altona gibts exakt ähnliches zu beobachten. Trifft es auf den Punkt!