Mit Einführung umfangreicher Maßnahmen zu Beginn der Corona-Pandemie im März 2020 wurde auch das Berger Kino in Frankfurt-Bornheim geschlossen. Anfang Januar 2021 wurde bekanntgegeben, dass es unter dem bisherigen Besitzer nicht mehr wie gewohnt weitergeführt würde. Dieser sah aufgrund der Auswirkungen der Corona-Pandemie sowie des Aufstiegs von Streamingdiensten wie Netflix keine Zukunft mehr für das Kino – obwohl gerade Netflix bei mir persönlich wieder das Interesse an Kinobesuchen geweckt hat und ich hauptsächlich ins Berger Kino gegangen bin. Tja … Es wurde über eine alternative Nutzung als Kulturort diskutiert, aber getan hat sich diesbezüglich nichts, obwohl es in der hiesigen Presselandschaft damals – berichtet wurde über das ungenutzte Kino schon lange nicht mehr, obwohl z. B. der in Frankfurt ansässige ÖRR gefühlt jede Woche ein paar paar Hansel mit Kamera und Mikro auf die Berger Straße schickt – so klang, als wären alle Beteiligten (Besitzer der Immobilie, Betreiber des Kinos, Stadtpolitik) irgendwie begeistert davon. Ich übrigens nicht, ich würde weiterhin ein reines (Programm-)Kino wie zuvor favorisieren.
Heute wurde das Berger Kino, das bereits seit vier Jahren leer stand, besetzt und wiedereröffnet – selbstverwaltet. In dem vor Ort erhältlichen Flyer „BERGER KINO FÜR ALLE – Ein queeres und feministisches Kino für Bornheim“ heißt es u. a.:
„Frankfurt ist scheiß teuer geworden und wird immer ungemütlicher. Das kann man besonders gut hier in Bornheim sehen, wo die Hipster Cafes und Waffelläden langsam aber sicher die Berger Straße hoch kriechen und immer mehr schöne und charakteristische Läden aus dem Stadtteil verdrängen. Statt Kulturangeboten und erschwinglichem Essen, statt bezahlbarer Miete und grüner Stadt, gibt’s Hochglanz Einkaufsläden, hässliche Neubauten, überteuerte Restaurants und den fünfundzwanzigsten Supermarkt mit Selbstbezahler-Kasse in einem Umkreis von 300 Metern. Unser Viertel wird immer mehr zum Reichen-Viertel und verdrängt damit die Menschen, die zu Bornheim gehören, es sich aber nicht mehr leisten können. Der Profithunger drängt immer mehr günstige Kulturangebote und arme Menschen aus der Stadt […] „Was Frankfurt ausmacht, sind die unterschiedlichen Menschen, die hier wohnen und nicht die Bankentürme und Bürokomplexe. Für die wurde schon genug Raum in der Innenstadt gesichert, jetzt sind wir dran uns den Raum, den wir brauchen und wollen zu nehmen.“
Leser*innen, die regelmäßig dieses Blog besuchen, wissen um meine Meinung über die „Entwicklung“ der Berger Straße, besonders im Abschnitt zwischen Höhenstraße und Bornheim Mitte, von daher habe ich mich über die oben zitierte Passage sehr gefreut, denn solche Stimmen vernehme ich viel zu selten, eigentlich gar nicht, stattdessen aber Gesülze, wie „wunderbar“ oder „stabil“ Frankfurt angeblich sein soll.
Die Wieder-/Neueröffnung des Berger Kinos fällt auf einen Tag nach dem 8. März, dem Weltfrauentag, um sich mit dem feministischen und queeren Kampf für Befreiung zu solidarisieren. Laut Statistik wurden 2021 insgesamt 113 Frauen durch den Partner oder ehemaligen Partner getötet. Dauerthema sind auch Bedrohung, Körperverletzung, Nötigung und Stalking, ebenfalls ausgehend von aktuellen und ehemaligen Partnern. In Frankfurt kommt es zudem seit einigen Jahren wiederholt zu queerfeindlichen Angriffen. Ebenfalls aus dem vor Ort verteilten Flyer stammt der folgende Abschnitt:
„Was bringen uns all die schönen Worte von der Politik wenn keine Taten folgen? Was bringt uns ein in regenbogenfarben angestrahlter Wolkenkratzer eines Verbrecherkonzerns wie der Commerzbanktower? […] Wir nehmen uns das Berger Kino und schaffen damit einen Raum der nicht abhängig vom Wohlwollen des Staates oder dem kapitalistischen Profitstreben ist. Sondern davon, was wir wollen und brauchen: Filme, Drag, Theater, Diskussion, Tanz und alles was Spaß macht! Deshalb planen wir in der nächsten Woche vor allem queere und Feministische Filme für Jung und Alt zu zeigen.“
Zu einem gänzlich anderen Thema hatte ich kürzlich diese Unsitte angesprochen, zu jedem x-beliebigen Anlass ein Gebäude in Frankfurt in entsprechenden Farben zu beleuchten oder anzustrahlen, und auch in diesem Fall freue ich mich, dass es von anderen, sogar Betroffenen, nicht unbedingt positiv aufgenommen wird, wenngleich das hier natürlich nur eine untergeordnete Rolle spielt.
Ich hoffe, dass durch diese Aktion die Zukunft des Berger Kinos wieder etwas mehr in den Mittelpunkt rückt und alle, die diesbezüglich etwas bewirken können, sich aktiver und konstruktiver als bisher dem Thema widmen. Schön wäre auch, wenn im Zuge dessen auch endlich mal der durch die Außengastronomie bedingte Platzmangel auf den Gehwegen angegangen wird.