Schon einige Jahre bevor Max Hollein, ehemaliger Direktor der Frankfurter Ausstellungshäuser Liebighaus, Schirn und Städel in die USA gehen sollte und dort, zum Abschied seiner zweijährigen Tätigkeit im de Young Fine Arts Museum of San Francisco, die Ausstellung Contemporary Muslim Fashions verantwortete, entstand der Begriff „Mipster“. Dieser setzt sich aus den Begriffen Muslim und Hipster zusammen und erlangte im Dezember 2013 zum ersten Mal größere Aufmerksamkeit, als das mit Musik des US-Rappers Jay-Z untermalte Video „Somewhere in America – #Mipsterz“ für Aufsehen sorgte. Bei den Mipsterz und diesem Video geht es darum, junge muslimische Frauen in einer Art zu zeigen, die weder den Vorstellungen islamischer Fanatiker noch dem größtenteils einseitigen Bild, das in der westlichen Welt kolportiert wird, entspricht.
SOMEWHERE IN AMERICA #MIPSTERZ
Das Video ist auch Teil der Contemporary Muslim Fashions-Ausstellung, die seit dem 5. April (und noch bis zum 1. September 2019) auch im Museum Angewandte Kunst in Frankfurt am Main zu sehen ist.
Ebenfalls Teil der Ausstellung ist das 2017 erschienene Video zu „Hijabi“ von Mona Haydar. Bekannt wurde die US-amerikanische Aktivistin, Bloggerin, Feminsitin und Künstlerin durch ihr Projekt Ask a Muslim. Seit 2015 steht sie einmal in der Woche vor der öffentlichen Bibliothek in Cambridge, Massachusetts um mit Menschen ins Gespräch zu kommen und dem in den letzten Jahren angestiegenen Islamhass entgegenzuwirken.
MONA HAYDAR – „HAJIBI“
Während das #Mipsterz-Video im Social-Media-Raum der Ausstellung präsentiert wird, befindet sich der Bildschirm mit dem Hijabi-Song im Bereich Modest Fashion gleich am Anfang. Zu sehen sind Kleidungsstücke mit unterschiedlichen Graden von Bedeckung, die sowohl von aufstrebenden als auch etablierten muslimischen und nichtmuslimischen Modedesigner*innen und Modeunternehmen produziert wurden.
DOLCE & GABBANA, JEAN-PAUL GAULTIER, KARL LAGERFELD UND NIKE – BEKANNTE STARDESIGNER UND NAMHAFTE HERSTELLER VON SPORTBEKLEIDUNG MISCHEN MITTLERWEILE AUCH MIT
Neben Modest Fashion und Social Media gibt es u.a. auch noch einen Raum, in dem das Thema Sport aufgegriffen wird. Schon seit Generationen schneiderten sich muslimische Frauen ihre eigenen Sportbekleidung, bevor mit der Wende zum 21. Jahrhundert immer mehr Bekleidungshersteller diesen Markt erkannten.
Von 2013 bis 2015 reiste der Fotograf und Musiker Langston Hues um die Welt, um Bilder von der „fortwährend wachsenden und extrem lebendigen Kultur des modest street style“ zu machen. Das dazugehörige Buch Modest Street Fashion erschien 2015. Es ist das erste Buch, das diesen stetig wachsenden internationalen Trend visuell dokumentiert, der von den Straßen Kuala Lumpurs bis in die Gassen New Yorks zu sehen ist. Entsprechende Fotografien und Kleidungsstücke sind im Streetwear-Bereich der Ausstellung zu sehen.
Am Ende der Ausstellung, im Bereich La Grande Finale, sind Ensembles zu sehen, die von First Ladys und Ehefrauen von Königen getragen wurden. Auf einem Bildschirm laufen Aufnahmen, die die Frauen mit den ausgestellten Kleidungsstücken im Einsatz zeigen.
Wie eingangs erwähnt, fand die Ausstellung im vergangenen Jahr bereits in San Francisco statt. Artikel, die bereits damals veröffentlicht wurden, schienen, wie so oft in Deutschland, wenn es um Kunst und Kultur in der Tagespresse geht, niemanden so recht zu interessieren. Mit näher rückendem Beginn der gleichen Ausstellung in Frankfurt am Main sah das dagegen anders aus. Kaum ein Artikel, der nicht den typisch gewordenen Kopftuch-Alarmismus bediente und den kritischen Stimmen mindestens so viel Aufmerksamkeit wie der Ausstellung selbst einräumte. Dass neben Prof. Matthias Wagner K auch Dr. Mahret Kupka die Ausstellung koordinierte, spielte nirgendwo eine Rolle. Dabei hatte diese nur wenige Monate zuvor die Schirn-Ausstellung zu Wilhelm Kuhnert mangels kritischer Kontextualisierung des Themas Kolonialisierung öffentlich kritisiert. Dass ausgerechnet so jemand bei nächstbester Gelegenheit, eine Ausstellung im eigenen Haus, ein kritische Komponente des Ausstellungsthemas nicht entsprechend berücksichtigen würde, erschien mir doch ziemlich abwegig. Kritische Stimmen kamen von einer Initiative von Frauen mit iranischen Wurzeln und einer Frauenrechtsorganisation. Von rechtsextremer Seite hat es Drohungen gegeben. Man kennt das. Gleichberechtigung, Sexismus und häusliche Gewalt unter Deutschen oder christlich geprägten Europäern interessieren nie, aber sobald solche Themen in Verbindung mit dem Islam stehen, tun Leute, die sonst links blinken, rechts abbiegen und die, die schon dort sind, zu Vorzeige-Feministen mutieren. Nun ja. In „Contemporary Muslim Fashions“ wird eine Mode und die damit verbundenen Auftritte von Frauen herausgestellt. Frauen, die sich und ihre Mode im Web präsentieren, weil niemand anderes es tat. Frauen, die sich Kleider selbst schneidern, weil es die gewünschte Ausführungen nicht gab. Frauen, die eigene Labels gründen, weil es keinen Markt für Fashion dieser Art gab.
„Was wir da sehen, ist eine Selbstermächtigung; viele Kritiker_innen übersehen das und sprechen Musliminnen pauschal Selbstbestimmtheit ab. Selbstermächtigung und die Befreiung aus unterdrückerischen, patriarchalen Strukturen werden dadurch sogar behindert. Ich halte es für besonders wichtig, zwischen Vorschriften zu unterscheiden, die Frauen eine gewisse Art der Kleidung vorgeben und Frauen, die selbstbestimmt eine Form der Kleidung für sich interpretieren.“ (Dr. Kupka bei ufuq.de)
CONTEMPORARY MUSLIM FASHION, MUSEUM ANGEWANDTE KUNST 2019
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